Die Kluft im Berliner Wohnungsmarkt wird immer größer

Die Kluft im Berliner Wohnungsmarkt wird immer größer

Die Kluft im Berliner Wohnungsmarkt wird immer größer
Nico Bähr über den Berliner Wohnmarkt. Copyright: (li.) Black Label Immobilien / (re.) Achim Scholty auf Pixabay

Im vergangenem Wahlkampf stand der Berliner Immobilienmarkt im Fokus: Es ging um Enteignungs-Rufe, steigende Preise und zu wenig Neubau. Und selten gab es größere Unterschiede zwischen Wohnen im Luxus und der Altersvorsorge mit Wohneigentum. Mittendrin steckt Nico Bähr, Immobilienexperte von Black Label Immobilien, und spricht in seinem Kommentar über seine tagtäglichen Erfahrungen im Berliner Wohnungsmarkt.

 

Agentur

Nie stand der Wohnungsmarkt so im Fokus des Wahlkampfs wie dieses Jahr. „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ lautete ein Schlachtruf, den wir immer wieder hörten. Gerade Kleinstvermieter, also Menschen, die eine oder zwei Wohnungen als Altersvorsorge besitzen, sind verunsichert. Mietbremse, Mietendeckel, Enteignung? Zumindest wird es immer schwieriger, sich mit einer vermieteten Eigentumswohnung Vermögen aufzubauen. Gehen oder bleiben – die Frage stellt sich manch Wohnungsbesitzer, der auf Mieteinnahmen zum Vermögensaufbau gesetzt hat.

Investments zweitrangig: Menschen suchen eine Oase zum Leben

Währenddessen steigen die Kaufpreise für Immobilien weiter – nicht nur in Berlin. Jedoch haben wir festgestellt, dass immer weniger Menschen Wohnungen als Investment suchen - sie suchen eine Oase zum Leben. Ein ganz besonderer Trend: die Mikrolage muss stimmen. Die Leute haben spezielle Wünsche an die Lage des Objekts – sie muss nahezu hausnummerngenau stimmen. Und am besten soll die Wohnung ganz speziell ausgestattet sein. Dann ist auch der Preis zweitrangig.

Auch viele Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, zieht es immer öfter in die Hauptstadt. Sie gehören auch zu den Suchenden, bei denen Lage und Ausstattung bis ins Detail stimmen muss. Die Leute, die zu mir kommen, wollen in erster Linie nach Kreuzberg, Neukölln, Prenzlauer Berg oder Mitte. Und: es soll dann meist etwas wirklich Exklusives sein. Hohe Decken, riesige Fensterflächen, loftartige Wohnungen – das ist schon länger der Renner. Gerade jüngere Leute mit gutem Einkommen sind heute viel eher bereit, eine Wohnung zu kaufen als das noch vor einigen Jahren der Fall war.

Berliner bauen sich ihre eigene Mietbremse

Während die teuerste Einheit, die wir bei Black Label Immobilien vor fünf Jahren verkauft haben, für knapp 1,5 Millionen Euro veräußert wurde, hat dieses Jahr schon eine für mehr als 3,6 Millionen den Besitzer gewechselt: Ein Dachgeschoss mit individuellen Ausbauten auf rund 300 Quadratmetern in der Nürnberger Straße.

Die Käufer sind zumeist Selbstnutzer, die nach Berlin kommen und eben nichts Entsprechendes zur Miete finden. Es kaufen jetzt auch mehr und mehr Berliner, die sich ihre eigene Mietbremse bauen, indem sie eben einen Kredit abzahlen und nicht mehr befürchten müssen, eines Tages aus dem Kiez ziehen zu müssen. Zudem steigt die Angst davor, dass die Inflation weiter zunimmt. So schlägt die Investition in ein eigenes, hochwertiges Nest zwei Fliegen mit einer Klappe. Dass die Stadt an Investoren aus dem Ausland verkauft wird – das können wir im Moment nicht feststellen.

Die Schere am Wohnungsmarkt geht immer weiter auseinander

Die Schere geht jedoch so oder so immer weiter auseinander. Das Angebot bleibt knapp, die Preise steigen, und die Eintrittshürde in den Immobilienmarkt wird immer höher. Wer eine Wohnung kaufen will, braucht auch Eigenkapital, das viele gar nicht erst aufbringen können. 25 Prozent vom Wert der Immobilie sollte man aus eigenen Mitteln stemmen können, allein die Grunderwerbsteuer beträgt in Berlin satte sechs Prozent vom Kaufpreis. So gesehen ist der Traum vom Eigenheim für viele erstmal in weite Ferne gerückt.

Der erhebliche Preisanstieg hat auch damit zu tun, dass kaum noch etwas Neues auf den Markt kommt. Mietshäuser können nicht mehr aufgeteilt werden seit diesem Jahr, Dachgeschoss-Rohlinge bekommen nur schwer eine Baugenehmigung und Brachflächen werden zu Parks, anstatt sie zu bebauen. Die Bezirke schaffen Hürden und verhindern den Neubau und den Ausbau. In Kiezlagen kennen die Preise für modernen Wohnraum zum Kauf derzeit kaum eine Grenze.

Zum Glück steigen aber die Mieten im Mittel nicht mehr, sondern bleiben auf einem stabilen Niveau in der Neuvermietung. Ausnahme sind die Bestandsmieten, hier ist durch das Mietendeckelfiasko und dem Wegfall des qualifizierten Mietenspiegels ein moderater Mietanstieg zu beobachten. Viele Mieter und Käufer interessiert das aber nicht. Sie blechen für das Traumobjekt in Traumlage –  andere würden gern kaufen, können aber nicht, weil sie keine Finanzierung bekommen.

Doch was machen Kleinvermieter in Berlin?

Bleiben noch die Leute, die vor langer Zeit eine Wohnung für ihre Altersvorsorge erworben haben, und die sie bis dato vermieten. Miete erhöhen? Schwierig! Gleichzeitig sind die Kosten für die Instandhaltung gestiegen. Für diese Menschen ist es eine Überlegung wert, jetzt zu verkaufen, sofern sie die Immobilie schon mehr als zehn Jahre besitzen. Noch ist es möglich, den Gewinn zwischen Kauf und Verkauf steuerfrei einzustecken. Doch was genau nach den Wahlen passiert, ist ungewiss.

So hat sich auch ein älterer Vermieter aus Adlershof entschieden. Um seine langjährige Mieterin nicht der Gefahr auszusetzen, von den neuen Vermietern auf die Straße gesetzt zu werden, hat er die Wohnung an sie verkauft. Leicht unter Wert, aber dafür stressfrei und mit gutem Gewissen. Auch solche Geschichten schreibt der Berliner Wohnungsmarkt, auch wenn sie immer seltener werden.

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