In Kleinstädten Sachsen-Anhalts sind bis zu 41 Prozent der Wohnungen bei kommunalen Unternehmen nicht vermietet. Verbandschef Jens Zillmann fordert von der Politik mehr Mittel für den ländlichen Raum.
Während in vielen deutschen Ballungszentren steigende Mieten, Wohnungsknappheit und Bauboom die bestimmenden Themen in der Immobilienwirtschaft sind, verzeichnen die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften in Sachsen-Anhalt mehrheitlich wieder einen wachsenden Leerstand. „Wir erleben bereits eine neue Leerstandswelle“, sagt Jens Zillmann, Direktor des Verbandes der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt. Dieser zu begegnen, werde die große Herausforderung der kommenden Jahre.
Leerstände von 41 Prozent in der Spitze
Die Entwicklung in dem Bundesland ist zweigeteilt: Während der Leerstand in den Großstädten kontinuierlich sinkt, steigt er in den ländlichen Räumen. Laut Jens Zillmann stehen bei den großen Vermietern in Halle noch sieben Prozent und in Magdeburg nur noch fünf Prozent der Wohnungen leer. Insgesamt seien es 7.000 Einheiten. „Auf dem Land verzeichnen wir dagegen Leerstände von 41 Prozent in der Spitze“, so Jens Zillmann. Insgesamt verfügen die Wohnungsfirmen über 330.000 Wohnungen, davon stehen 32.000 leer. Ein Viertel der Sachsen-Anhalter sind Mieter bei den kommunalen und genossenschaftlichen Gesellschaften.
Einige Mittelzentren wie Wernigerode, Wittenberg oder Naumburg stehen noch recht gut da. Doch insgesamt ist die Entwicklung negativ. „Im Frühling 2019 hatten von den 81 kommunalen Wohnungsgesellschaften schon 32 Unternehmen einen Leerstand von mehr als 15 Prozent. Ende September waren es bereits 37“, sagt Jens Zillmann. Bei einem dauerhaften Leerstand von mehr als 15 Prozent sei aus den Erfahrungen des Altschuldenhilfegesetzes zu befürchten, dass diese Wohnungsunternehmen auf längere Sicht in ihrem Bestand gefährdet sind. Besonders problematisch ist die Situation in Kleinstädten in den Landkreisen Mansfeld-Südharz, Harz, Salzlandkreis und Börde.
Abriss und Modernisierungen in Zeitz
Für die negative Entwicklung gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen der demografische Faktor: Es sterben mehr Menschen als geboren werden. Zum anderen ziehen die Bürger auch weg, weil sie nach Ansicht von Jens Zillmann von Infrastruktur abgekoppelt werden. „Wenn der Supermarkt, der Arzt, der Busanschluss, die Schule, das Schwimmbad weg sind und schnelles Internet in weiter Ferne liegt, dann ziehen die jungen Menschen in die größeren Städte“, so der 52-Jährige, der den Verband seit Mai 2019 leitet.
Ideen und Projekte gegen Leerstand in Mitteldeutschland:
Eine der betroffenen Städte ist Zeitz im Süden des Landes. Bei der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft stehen knapp 15 Prozent der Wohnungen leer. „Wir werden daher bis 2023 noch einmal zwei Blöcke abreißen“, sagt Prokurist Michael Große. Gleichzeitig modernisiert das Unternehmen Wohnungen. In Zeitz werden in diesem Jahr unter anderem mehrere Häuser mit Fahrstühlen nachgerüstet. „Unsere älteren Mieter können dann länger in den Wohnungen bleiben“, erklärt er.
DDR-Plattenbauten dominieren
Die Gesellschaften haben in den vergangenen Jahrzenten Milliarden in die Sanierung der Häuser gesteckt. Dennoch befindet sich rund 60 Prozent des Wohnungsbestandes noch immer in DDR-Plattenbauten. Viele Gesellschaften – nicht nur in den Großstädten – investieren daher in Neubauprojekte, die sich besser vermieten lassen. In Quedlinburg (Harz) errichtet beispielsweise die örtliche Wohnungsgenossenschaft 14 Mehrfamilienhäuser mit 56 Wohnungen. Gleichzeitig werde ein alter Block mit 50 Wohnungen abgerissen, sagt Vorstand Peter Stentzel. Nach allen Prognosen werde die Weltkulturerbe-Stadt in den kommenden Jahren weiter Einwohner verlieren. Das Durchschnittsalter der Mieter bei der Genossenschaft betrage 64 Jahre. „Der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum ohne Barrieren wie Treppen wird größer“, sagt Peter Stentzel. Man wolle älteren Menschen, aber auch jungen Familien attraktive Angebote machen.
Verbesserte Infrastruktur auf dem Land
Doch wenn eine kleinere Wohnungsgesellschaft bereits einen hohen Leerstand hat, dann ist es nach Einschätzung von Jens Zillmann „nicht so einfach, in teuren Neubau zu investieren.“ Weiterer Abriss ist nur noch begrenzt möglich, da die Firmen damit zunehmend ihre Unternehmensbasis angreifen. Der Verbandschef fordert daher zum einen, die ländlichen Regionen durch eine verbesserte Infrastruktur per Bus und Bahn an die Ballungszentren anzuschließen. „Wenn in Leipzig oder Halle der Wohnraum knapp wird, dann sind Städte wie Merseburg, Zeitz oder Hohenmölsen attraktive Wohn-Alternativen“, so Jens Zillmann. Zudem seien zusätzliche staatliche Mittel nötig, um insbesondere den bestehenden Wohnraum zu modernisieren. „Unsere zentralen Forderungen an die Bundes- und Landespolitik sind klar formuliert: Städtebauförderung, Lösung der DDR-Altschuldenfrage und angemessene Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Bezieher sind die Eckpfeiler für eine soziale Wohnraumversorgung“, so Jens Zillmann. „Die Alternative ist, dass die Landflucht sich verstärkt.“
Zum Vergleich: So sieht es in Sachsen und Thüringen aus
Wohnungsunternehmen des vdw Sachsen | Wohnungsunternehmen des vtw |
Bestand: circa 310.000 Wohneinheiten |
Bestand: circa 265.000 Wohneinheiten |
Leerstand: circa 31.000 Wohneinheiten – das entspricht zehn Prozent |
Leerstand: circa 21.000 Wohneinheiten – das entspricht etwa acht Prozent |
Leerstand in den sächsischen Metropolen: 4,7 Prozent |
Leerstand in den thüringischen Metropolen: 3,1 Prozent |
Leerstand auf dem Land: 14,5 Prozent |
Leerstand auf dem Land: Saale-Orla-Kreis: 16,8 Prozent, |
Rückbau 2018: 229 Wohneinheiten |
Rückbau 2018: 452 Wohneinheiten |
Rückbau 2019: 822 Wohneinheiten (geplant) |
Rückbau 2019: 556 Wohneinheiten (geplant) |