Wohnungsmarkt Potsdam: „Mitsteuern und bewegen“

Wohnungsmarkt Potsdam: „Mitsteuern und bewegen“

Wohnungsmarkt Potsdam: „Mitsteuern und bewegen“
Quelle: shutterstock.com / PopTika

Bernd Rubelt, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt der Landeshauptstadt Potsdam, hält nichts von restriktiven Maßnahmen, dafür aber von Regeln, die allen zugute kommen.

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IMMOBILIEN AKUELL: Beobachten Sie entspannt und zurückgelehnt die Situation in Berlin: Die Hauptstadt bringt sich als Investitionsstandort um den guten Ruf. Projektentwickler sagen laut, dass sie ihre Aktivitäten auf das Umland ausweiten. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Bernd Rubelt: Wir schauen sehr interessiert nach Berlin, auch wenn wir wissen, dass es zwischen beiden Städten Unterschiede hinsichtlich des Marktgefüges, der städtischen Struktur und natürlich der Größe gibt. Es ist nicht besonders positiv, wenn wir mehr Gemeinsamkeit, mehr Partnerschaft und Aktivität am Markt brauchen, die Botschaften aus der Berliner Politik hier jedoch zweideutig sind. Als Landeshauptstadt gehen wir einen anderen Weg, handeln aktiv mit den Akteuren. Die unterschiedlichen Problematiken können wir nur gemeinsam lösen, städtische, genossenschaftliche, private Akteure.

Bernd Rubelt, Beigeordneter der Stadt Potsdam (Quelle: Landeshauptstadt Potsdam).
Bernd Rubelt, Beigeordneter der Stadt Potsdam (Quelle: Landeshauptstadt Potsdam).

IMMOBILIEN AKUELL: Bedeutet das, dass Enteignung und Mietendeckel von Potsdam weit entfernt sind? Welche anderen Regularien sehen Sie?

Bernd Rubelt: Regeln muss es geben, das ist ein Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, zu der wir stehen. Nur Regeln sollten so aufgestellt werden, dass sie akzeptable Lebensbedingungen für die Menschen schaffen. Enteignung kommt für uns nicht in Frage, wir sehen darin keinen Gewinn. Bei dem Mietendeckel haben wir rechtliche Bedenken. Ich möchte gern den Markt mitsteuern und bewegen. Unser zentrales Thema ist das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum, dazu brauchen wir natürlich auch Partner.

IMMOBILIEN AKUELL: Im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Städten, die ein höheres Marktrisiko ausweisen, ordnet sich Potsdam laut einer von bulwiengesa – im Auftrag der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien – erstellten Studie bei den B-Städten und einem eher niedrigen Marktrisiko ein. Welche Angebote können Sie Investoren machen?

Bernd Rubelt: Stabile Rahmenbedingungen zeichnen Potsdam aus, Investoren sind willkommen. Es ist nicht alles möglich, vor allem wegen der begrenzten Ressourcen. Es bedarf guter Konzepte für unsere Entwicklungsgebiete. Jede Maßnahme sollte der Stadt zugute kommen. Wir haben hier die Ambivalenz eines risikoarmen Standortes, der aber natürlich wenig freie Flächen hat. Als Kommune müssen wir aktive Liegenschaftspolitik machen, sehen uns als aktiven Partner und nicht als jemanden, der sich hinter Gesetzen versteckt. Bei uns herrscht, wie in anderen Städten, ein Konflikt hinsichtlich der Flächenkonkurrenzen. Jede gute Fläche kann immer nur einmal vergeben werden, deshalb müssen wir ganz genau überlegen wofür. Dazu gehören auch negative Botschaften in den Wohnungsmarkt, denn es gibt noch mehr Dinge, wie soziale Infrastruktur und gewerbliche Entwicklungen, die bedacht werden sollen.

Mischkonzepte sollen Potsdamer Wohnungsmarkt attraktiv für alle machen

IMMOBILIEN AKUELL: Im Grundstücksmarktbericht ist zu lesen, dass 2018 20 Villen den Besitzer wechselten. Der Umsatz insgesamt sank zwar von 70,2 Millionen Euro 2017 auf 48,1 Millionen Euro im Jahr 2018, trotzdem kann sich der höchste Kaufpreis sehen lassen: fünf Millionen Euro „für eine im Ortsteil Neu Fahrland liegende Villa inklusive Grundstück und Bootssteg“. Hier wird wieder das Klischee der Edeldestination in den Vordergrund geschoben.

Bernd Rubelt: Wir können nicht die gesellschaftlichen Bedingungen ändern. Diejenigen, die Unterstützung brauchen, müssen diese bekommen. Und wir müssen aufpassen, dass die unterschiedlichen Bedingungen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gibt kaum eine Stadt in Deutschland, die eine solche große gesellschaftliche Vielfalt an Menschen abbildet wie Potsdam. Dem müssen wir Rechnung tragen, was Identität und Image angeht. Vielleicht ist es einer Residenzstadt in die Wiege gelegt, dass es sehr finanzstarke Menschen gibt. Doch bei all dem muss Potsdam auch eine Stadt der Teilhabe für alle bleiben.. Diese besondere Mischung Potsdams möchte ich weiter entwickeln.

IMMOBILIEN AKUELL: Sozialer Wohnungsbau ist in aller Munde, viele reden über die Mittelschicht, die durch das Raster fällt. Mit Mieten über zehn Euro pro Quadratmeter in den Neubauten, den hohen Baukosten: Kann das irgendwie so geregelt werden, dass es funktioniert?

Bernd Rubelt: Die derzeitigen Förderkulissen in allen Bundesländern können dieser Problematik nur wenig Rechnung tragen. Die steigenden Herstellungskosten von Immobilien machen die Schere noch weiter auf. Gemeinsam mit dem Land wollen wir die Förderinstrumente verbessern. Da gibt es bereits Aktivitäten, die für mich aber noch ausbaubar sind. Zum Zweiten müssen wir über Konzeptvergaben als Stadt selbst dafür sorgen, dass wir Mischkalkulationen zulassen. Das bedingt, dass wir sehr klar herausarbeiten, welche Mietpreissegmente wir benötigen und in welcher Größenordnung.

IMMOBILIEN AKUELL: Das bedeutet, dass eine größtmögliche Anzahl von Anforderungen bereits in den Konzepten inkludiert ist?

Bernd Rubelt: Ja, es sollen Mischkonzepte sein. Das Konzept für die zukünftige Entwicklung einer Stadt liegt in gemischten Quartieren. Hier begegnen sich Menschen mit unterschiedlichen Lohngruppen, unterschiedlichen Bedürfnissen und unterschiedlichen Wünschen ganz normal im Alltag. Früher war es doch so: Sozialer Wohnungsbau wurde am liebsten gar nicht realisiert. Wenn doch, dann gab es die ‚schönen‘ Häuser und von denen klar getrennt die ‚anderen‘. Damit sorgte man für eine Refinanzierbarkeit. Heute wollen wir zukunftsfähige, gemischte Quartiere, die eine allgemein hohe Qualität für alle Bewohner bieten. Dazu bedarf es einer höheren Flexibilität auf Förderebene, gleichzeitig ist die Stadt planerisch und konzeptionell in der Pflicht. Wichtig ist mir, dass wir den vorhandenen Boden in die richtige Verfügung bekommen. Da waren wir in der Vergangenheit nicht besonders aktiv. Fördern und selbst aktiv sein – das sind die Lösungen.

Wirtschaftsstandort Potsdam

IMMOBILIEN AKUELL: Seit Jahresbeginn gehört der Bereich Wirtschaft zu Ihrem Dezernat. Engel & Völkers Commercial analysierte verschiedene Standorte in ganz Deutschland. Berlin stellt, was die vermietbaren Büroflächen angeht, wieder den Negativrekord auf. Potsdam hat ebenfalls eine niedrige Leerstandsquote. Der Wirtschaftsstandort ist für den Lebensstandort wichtig.

Bernd Rubelt: Natürlich ist das ein Thema. Der Wohnungsleerstand ist historisch gering. Im gewerblichen Bereich verzeichnen wir eine extrem hohe Nachfrage, bei einem sehr geringen Angebot im kommunalen wie im privatwirtschaftlichen Bereich. Insofern laufen wir bei einem Grundstück direkt in den Konflikt –
Wohnen gegen Gewerbe und beides zusammen gegen soziale Infrastruktur – hinein. Insofern werden wir, was die Bodenvorsorge in der Bauleitplanung angeht, bei Flächen, die wir aktivieren wollen wie in Golm, immer in einer Auseinandersetzung stehen mit dem Wohnen. Es ist aber sehr wichtig, dass wir an der Gewerbeflächenstrategie festhalten. Potsdam wächst vor allem gewerblich. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nimmt drei bis dreieinhalb Prozent jährlich zu, der Wohnungsmarkt wächst um zwei bis zweieinhalb Prozent. Das heißt, wir sind eine klassische Einpendlerstadt. Mittlerweile nehmen sich die Pendlerströme von Potsdam nach Berlin und andersherum nichts mehr. Allein schon das macht es unabdingbar, dass wir die verfügbaren Standorte nicht gegeneinander ausspielen. Sonst schaffen wir keine zukunftsfähige Stadt.

IMMOBILIEN AKUELL: Potsdam schreitet mit großen Schritten voran: Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Stadt als eines der innovativen Digital-Zentren in Deutschland ausgewählt. Die Dynamik innerhalb der Stadt wird damit nicht schwächer.

Bernd Rubelt: Nein, sie wird noch verstärkt, indem drei Dinge zusammenkommen: eine sehr hohe Lebensqualität, der Forschungs- und Bildungsstandort an sich und ein ausreichend vorhandenes Potenzial an Arbeitskräften. Die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die immer stärker werdenden Pendlerströme machen Lösungen für die Verkehrsproblematik notwendig. Viele Investoren sagen, dass sie sehr gern kommen, was eine positive Grundbotschaft ist. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, die Beliebtheit zu vertauschen mit konkretem Gewinn für die Stadt. Es ist aber ein sehr konkreter Fingerzeig dafür, dass die Stadt eine positive wirtschaftliche Entwicklung hat, mit der wir einen Großteil unserer Entwicklung bezahlen. Wenn wir über bezahlbares Wohnen sprechen, dann über Menschen mit guten Arbeitsplätzen, die entsprechend verdienen und sich etwas anderes leisten können. Gute Arbeitsplätze sind immer gute Bedingungen für den Wohnungsmarkt. Deshalb wäre es fatal, die beiden Märkte gegeneinander auszuspielen.

Potsdam investiert in soziale Infrastruktur

IMMOBILIEN AKUELL: Wesentlich für junge Familien ist sehr oft die soziale Infrastruktur. Wie ist Potsdam hier aufgestellt?

Bernd Rubelt: In diesem Bereich hatten wir Nachholbedarfe, denen wir mit einem großen Programm Rechnung getragen haben. In den vergangenen Jahren flossen mehr als 200 Millionen Euro allein in den Bau neuer Schulen. An dieser Schlagzahl wird sich in den kommenden Jahren nichts ändern. Eine wachsende Stadt bedingt, dass wir dem vorher Rechnung tragen. Wir mussten lernen, stärker aktiv zu sein. Das hat historische Hintergründe. Wenn sie allein den Vereinssport nehmen. Traditionell war die Prozentzahl der Bevölkerung, die da engagiert war, sehr gering. Heute wachsen wir auch in dieser Richtung, der Bedarf an Sportanlagen wächst exponentiell. Hier finden wir – Stichwort Flächenkonkurrenz – eine Problematik, die es zu lösen gilt.

IMMOBILIEN AKUELL: Ist Verdichtung ein Lösungsansatz?

Bernd Rubelt: Auch das ist ein Thema. Ein Beispiel ist das alte Tramdepot, eine alte Liegenschaft der Verkehrsgesellschaft. Dort schaffen wir ein Quartier für 2.000 Menschen, die Pro Potsdam GmbH baut. Im Bereich Heinrich-Mann-Allee und Zentrum-Ost arbeiten privatwirtschaftliche Investoren in diesem Bereich. Fakt ist: Die Stadt muss stärker in die Verantwortung der Flächenentwicklung gehen, was lange Zeit nicht der Fall war. Das dürfen wir jetzt bei weniger werdenden Ressourcen nicht mehr dem freien Markt überlassen, sonst bekommen wir eine Stadt, die wir nicht wollen.

Potsdam und das Umland

IMMOBILIEN AKUELL: Wie schätzen Sie die Kooperation mit dem Umland ein?

Bernd Rubelt: Hier komme ich auf Berlin zurück. Das Partnerschaftliche sollte eine gemeinsame Analyse der Situation beinhalten. Wenn jemand sehr stark restriktiv den Markt beeinflusst, dann hat das Wirkung auf das Umland. Viele Umlandgemeinden nehmen wahr, dass der Druck zunimmt. Jedem muss die Gesamtverantwortung für einen knappen Raum klar sein. Es gibt den Siedlungsstern mit freien Flächen und einer Infrastruktur. Wenn wir letztere für alle sinnvoll nutzen wollen, brauchen wir ein gemeinsames Denken von Berlin und Brandenburg. Die Grundlage ist dafür bereitet mit der Landesplanung. Ich sehe aber zudem das Erfordernis, dass wir stärker die Diskussion führen, wie Wohnen und Gewerbe gemeinschaftlich entwickelt werden kann. Es bringt nichts, wenn jeder sein eigenes Ding macht. Wir als Stadt sind für den regen Austausch mit dem Umland, wir wollen diese Kooperationen. Prinzipiell müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass Städte unterschiedliche Funktionen haben. Integrierte Stadtentwicklung ist für mich regionale Entwicklung. Dazu gehört auch ehrliche Kritik.

IMMOBILIEN AKUELL: Der Landesplan ist ein sehr theoretisches Konstrukt. Eigentlich kennen alle die Lösungen. Wieso geht es dann nicht schneller vorwärts?

Bernd Rubelt: Wenn es solche Diskussionen wie die um eine Enteignung von Unternehmen gibt, dann blockiert das. Das schafft keinen Schritt voran. Ich freue mich über die großen Projekte, die beispielsweise in Tegel umgesetzt werden. Die bringen wirklich etwas, sind sinnvoll.

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