Im vergangenen Jahr sind in Berlin 28.595 Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt worden und damit erheblich mehr als in den vergangenen beiden Jahren. So lag der Spitzenwert 2020 bei 19.189 Wohnungen. Das Jahr davor waren es nur 12.668 Wohnungen. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf eine Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger hervor, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion.
Ursache für den Umwandlungsschub waren die staatlichen Eingriffe in den Berliner Wohnungsmarkt: von der Ausweitung der Milieuschutzgebiete auf 72 im gesamten Stadtgebiet, dem Mietendeckel bis hin zum Baulandmobilisierungsgesetz. Nach dessen Inkrafttreten zog der damalige Rot-Rot-Grüne Senat umgehend die Umwandlungsbremse nach §250 Baugesetzbuch. Seit August 2021 wird die Aufteilung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen nur noch für Objekte genehmigt, die nicht mehr als fünf Wohnungen haben oder bei denen mindestens zwei Drittel der Mieter ihre vier Wände kaufen wollen.
Quasi in letzter Minute nutzten daher viele Eigentümer ihr Recht, um sich die Option offen zu halten, die Wohnungen einzeln verkaufen zu können. Genau dieser Effekt war von Marktteilnehmern vorausgesagt worden. An der Spitze der Umwandlungstabelle stehen die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf mit 6.222, Pankow mit 4.642 und Mitte mit 3.865 umgewandelten Wohnungen.
Führt das Umwandlungsverbot zur Eigenbedarfskündigungswelle?
Die Zahlen zeigen auch, dass es sich um eine Vollbremsung handelt und die Umwandlungen 2022 schlagartig abnehmen werden. Von August 2021 bis zum Jahresende sind lediglich 15 Anträge für insgesamt 340 Wohnungen gestellt und davon bislang fünf genehmigt worden, die 57 Wohnungen umfassen. Die Verfahren für die übrigen zehn Anträge laufen noch. Die Grünen-Politikerin Katrin Schmidberger äußerte sich gegenüber der Tagespresse zufrieden damit, dass die Umwandlungsverordnung auf diese Weise wirke.
Sie befürchte nun aber mit Blick auf das vergangene Jahr, dass eine Eigenbedarfskündigungswelle anrolle. Denn nur wenige Mieter nutzen ihr Vorkaufsrecht und erwerben ihre vier Wände selbst. In den beiden Vorjahren sind insgesamt rund 21.800 umgewandelte Wohnungen verkauft worden, davon circa 1.250 Wohnungen an die Mieter. Das entspricht einem Anteil von 5,7 Prozent. Rund 20.500 Wohnungen sind an Dritte verkauft worden.
Wohnungsvernichtungsprogramm?
Der Abgeordnete Björn Matthias Jotzo (FDP), Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, reagierte auf das Zahlenwerk und die Äußerungen von Katrin Schmidberger via Twitter: „Mit halbgaren, teilweise verfassungswidrigen Regulierungen verschlimmbessert der RGR-Senat seit sechs Jahren den Wohnungsmarkt. Was dabei herauskam: das größte Wohnungsvernichtungsprogramm seit dem 2. Weltkrieg und DDR-Verfall.“ Der Senat habe es geschafft, dass das Miet- und Wohnungsangebot eingebrochen, Neubau rar und unerschwinglich sei und gleichzeitig das größte Eigentums-Umwandlungsprogramm stattfinden konnte. Durch die Verknappung des Angebotes sei der Erwerb von Eigentum zudem sehr teuer. Seine Auffassung zur Lösung des Problems lautet: „Langfristig wird ein Bauprogramm helfen.“
Ein Bauprogramm wird helfen
Was mehr Bautätigkeit für die Mieter bringen kann, zeigt eine Rückschau auf die Nachwendezeit. Im Bericht über den Berliner Wohnungsmarkt in den Jahren 1991 bis 2000 schrieb der damalige Senator für Stadtentwicklung Peter Strieder (SPD): „In den vergangenen zehn Jahren sind rund 150.000 Wohnungen neu gebaut worden. Über 100.000 zusätzlich noch im Umland. Diese Neubautätigkeit blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Berliner Wohnungsmarkt. Allein im Zeitraum 1995 bis 2000 sind fast 178.000 Menschen aus Berlin ins Umland gezogen. Heute steht Berlin erstmals vor der Situation, dass – zumindest bei globaler, undifferenzierter Betrachtung quantitativ und gesamtstädtisch – kein Wohnungsmangel mehr herrscht. Eine Folge: Die Mieten im Bereich der Erstvermietungen, zum Teil aber auch der Wiedervermietungen sind seit einigen Jahren rückläufig beziehungsweise stagnieren.“
Einige Daten zur Einordnung: Im Jahr 1995 lag laut Bundesfinanzministerium das durchschnittliche Nettoeinkommen in Deutschland bei rund 2.400 DM. Ein Einfamilienhaus kostete zu diesem Zeitpunkt in den Westberliner Bezirken im Durchschnitt 700.000 DM. Ein Grundstück in mittlerer Wohnlage lag pro Quadratmeter bei 800 DM, der Quadratmeterpreis für neugebaute Eigentumswohnung im Westteil der Stadt im Durchschnitt bei 6.000 DM. Die Wiedervermietungsmiete für Wohnungen ab 1949 betrug durchschnittlich 12,50 DM. Nur fünf Jahre später waren sie wegen des großen Wohnungsangebotes auf 9,50 DM gefallen.